Die Brücke Menschlichkeit und die Hürde Bürokratie
Fachtagung in der Stadthalle Mülheim an der Ruhr ist ein großer Erfolg:
Diskussion zu Chancen und Grenzen der Jugend(sozial)arbeit mit jungen Geflüchteten
MÜLHEIM/RUHR. „Ihr seid Brückenbauer“, lobte Oberbürgermeister Ulrich Scholten die über 600 Gäste aus ganz NRW zu Beginn der ersten Fachtagung zu Chancen und Grenzen der Jugend(sozial)arbeit mit jungen Geflüchteten in der Stadthalle in Mülheim an der Ruhr. Unter dem Motto „Viel erreicht! Viel zu tun!“ wurden von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern Erfahrungen ausgetauscht und Forderungen an die Politik formuliert. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW, Dr. Joachim Stamp, sagte explizit zu, dass der Jugend(sozial)arbeit in NRW weiterhin die Unterstützung der Politik zu teil wird.
Vor der Podiumsdiskussion – moderiert von Conférencier Michel Abdollahi – mit zwei jungen Geflüchteten, Kawa Eibesh (BUNDjugend NRW) und Yacouba Coulibaly (Student der Sozialen Arbeit), sowie Helga Rolf, Leiterin des Jugendamtes Lippstadt und Dr. Rainer Kascha, Fachreferent Jugend- und Kulturarbeit Rheinland (Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW) sprach der Minister über die Hürden in der Bürokratie und die Bedeutung des Austausches: „Dialog ist das einzige, das Vorurteile abbauen kann.“ Auch deswegen sei er stolz, sagen zu können: „Wir sind auf dem derzeitigen Höchststand der Jugendförderung in NRW.“ Das solle auch so bleiben.
Stamp: „Wir wissen, dass wir bei der Frage nach der Bildungs- und Teilhabechancen in den Landeseinrichtungen dringend etwas verbessern müssen – und das sage ich Ihnen zu.“ Sein Wunsch nach klar definierten beruflichen Einstiegsqualifikationen und besseren Bedingungen für Helferberufe nehme er mit ins Ministerium.
Kritik an Politik und Behörden und die daraus resultierenden Forderungen wurden in der Podiumsdiskussion deutlich geäußert. Yacouba Coulibaly brachte es unter Applaus der über 600 Gäste auf den Punkt: „Immer ist alles befristet – da geht es den Flüchtlingen wie den Sozialarbeitern. Keiner weiß, ob er oder sie noch mal ‚verlängert‘ wird…“ Auch deswegen stoße Integration oft an ihre Grenzen. „Dabei“, so Kawa Eibesh, „gibt es niemanden, der ausschließlich hierher flieht, weil er sich eine bessere Lebenssituation wünscht.“ Beide sagten deutlich: „Das Ankommen kann man den jungen Menschen leichter machen, die Partizipation zugänglicher machen – und viele der Probleme sind ja nicht vom Himmel gefallen, sondern von der Politik gemacht.“
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung tauschten mittags Erfahrungen aus, berichteten von ihren Projekten und fanden über das hier sehr deutliche Netzwerk zu neuen Ideen, den jungen Menschen aus anderen Ländern das Ankommen in NRW zu erleichtern. Per „Wurf-Mikro“ in Form eines orangefarbenen Würfels äußerten die Akteure in der Jugend(sozial)arbeit in einer Plenumsdiskussion: „Heute hätten viel mehr Politiker zuhören müssen, und die in den zuständigen Behörden – die übrigens eingeladen waren.“ Auch die oft scheinbar wahllosen Abschiebungen von integrierten Menschen, die zeitlich begrenzten Förderungen und die stark variierende Unterstützung in den einzelnen Kommunen bewegte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Insgesamt schätzte Sarah Steffen vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dass seit 2016 mehr als 25.000 junge Menschen in der Jugend(sozial)arbeit erreicht werden.
„Es muss ganz deutlich gesagt werden, welch starken Einsatz die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter in der Jugend(sozial)arbeit mit jungen Geflüchteten leisten“, so Willi Liebing, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Offene
Türen (AGOT) NRW, die die Fachtagung mit großem Einsatz mit organisiert hat. Es ist ein starker und unermüdlicher Einsatz – dennoch herrschte bei den meisten der Gäste der Eindruck vor: Es gibt noch viel zu tun. In einer Abstimmung per Balleinwurf zeigte sich deutlich: 23 Prozent sagten „viel erreicht“ und 77 Prozent meinen, es sei noch „viel zu tun“.
Eingeladen hatten die AGOT – Arbeitsgemeinschaft Offene Türen NRW e.V., der Landesjugendring NRW e.V., die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit NRW, das Paritätische Jugendwerk NRW und die Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit NRW e.V. sowie das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration NRW.